Arbeit oder Lebensfreude – wohin wenden sich die Deutschen?
„Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder wo anders“ beklagt ein Autor in einer humorvollen Abhandlung. Das Institut für Zukunftsforschung nahm die Frage nach dem Sinn des Lebens für die deutschen Bürger ernsthaft auf. Eine repräsentative Befragung macht deutlich, wo die Deutschen stehen. Viele sehen auf sich und die Arbeit aus einem neuen Blickwinkel. Damit fordern Sie die Gesellschaft und die Arbeitgeber heraus, sich ebenfalls neu zu sehen und sich neu zu erfinden. Dies ist besonders für KMU eine neue Herausforderung, die die Mitarbeiterführung und Personalentwicklung betrifft. Ob dafür des Kaisers neue Kleider notwendig werden, lesen Sie in dem folgenden Beitrag.
Die Mehrheit der Deutschen versucht sich mit einem Spagat
„Ich möchte etwas arbeiten, was Sinn hat und Spaß macht. Ich will in meinem Leben etwas schaffen und gestalten. Außerdem möchte ich mein Leben genießen und mich nicht mehr abmühen als nötig. Mir ist beides gleich wichtig, ich weiß nicht.“ wird in der Auswertung einer Befragung des Instituts für Zukunftsforschung ausgeführt.
Fast jeder fünfte Deutsche möchte sein Leben genießen und somit die Arbeit auf das Notwendige reduzieren. Das meinen insbesondere die jüngeren Menschen. Jedoch ungefähr ein Drittel der Bundesbürger möchte etwas leisten, das Sinn hat und Spaß macht. Je älter die Befragten, desto stärker ist die Zustimmung.
Die Mehrheit der deutschen Bundesbürger ist allerdings der Meinung, dass beide Lebenseinstellungen grundsätzlich richtig sind und versucht, beide Einstellungen in ihrem Handeln zu berücksichtigen. Wenn KMUs auch zukünftig und für jüngere Generationen attraktiv sein möchten, sollten sie das in der Mitarbeiterführung und der Unternehmenskultur berücksichtigen.
Neue Gegebenheiten fordern neue Antworten
Die liebste Freizeitbeschäftigung ist mittlerweile das Spazierengehen geworden. Wer sich den lustvollen Seiten des Lebens zuwenden möchte, kann dies lediglich in homöopathischer Dosierung machen. Aber auch die Arbeitswelt bietet wenig Abwechslung, wenn Homeoffice, Bildschirmarbeit und Zoom-Meetings den Alltag beherrschen. Dies ist die ganz pragmatische und an der Oberfläche sichtbare Seite unseres Lebens geworden.
Man kann jedoch auch eine tiefergehende Dimension erkennen. Wir befinden uns in Veränderungen, wie wir sie schon Jahrzehnte nicht mehr durchgemacht haben. Klima, Transportation, Automation, Digitalisierung, Globalisierung und Auseinanderfallen von globalen Einheiten, Migration und Regionalisierung, Information und Fake News – braucht es noch mehr, um eine Gesellschaft in den Werten zu erschüttern? Mit den Aussagen und Antworten von gestern kommt man an der Stelle folglich nicht mehr weiter. Das müssen Eltern von Schulkindern in Quarantäne, aber auch Politiker und Unternehmer realisieren.
Neue Bedürfnisse der jungen Generation
Viele Unternehmer und Führungskräfte klagen über die schwindende Arbeitsmotivation insbesondere der jüngeren Generation. Aus der Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen sehen wir, dass dahinter mehr steckt, als die übliche Schelte der Älteren über die junge Generation. Werte, Bedürfnisse und Verhaltensweise verändern sich. Neue Berufe und Jobs entstehen und alte fallen weg. Darüber hinaus ist das Tempo der Veränderung hoch. Es sind also neue Antworten gefordert, die einerseits den Menschen im Ganzen wahrnehmen und andererseits die berechtigen Belange der Arbeitgeber und der Gesellschaft berücksichtigen.
Ist die Diskussion über die Abgrenzung der Arbeitswelt von dem privaten Leben wirklich neu? Verschiedene Philosophen des 20.ten Jahrhunderts thematisierten bereits das Verhältnis von „Arbeit und freier Aktivität“. Sie reduzierten hierbei die Dimensionen auf das „Reich der Notwendigkeit“ und das „Reich der Freiheit“. Gewinnung des Lebensunterhalts und Plackerei als Verausgabung von Lebenssubstanz waren die revolutionären Vokabeln. Nach vielen Irrungen und Wirrungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt haben sich die Arbeitgeber neu erfunden und ein Zusammenarbeiten entwickelt, das folglich viele Menschen bis heute angesprochen hat.
Geld verdienen und Sparen hat einen anderen Stellenwert – prägt das die Arbeit?
Unsere Gesellschaft ist vermögend geworden, wir verfügen über Rücklagen und vererben Werte an die jüngere Generation. Sparen, Arbeiten und Rücklagen bilden waren die Werte der Nachkriegsgeneration. Welchen Stellenwert haben sie heute noch? Gibt es noch die Arbeitgeber, die eine quasi Beamtenposition anbieten und würde jemand dies attraktiv finden? Das Einkommen ist sicher noch wichtig, aber das neue Arbeiten fragt nach Teilzeit, flexiblen Arbeitszeitmodellen und einer stärkeren Berücksichtigung von privaten Belangen. Arbeitgeber müssen dies ebenso berücksichtigen, wie sie auch die produktive Leistung aller Mitarbeiter fördern müssen. Das prägt unsere Arbeitswelt. So haben auch kleine und mittelständische Unternehmen mit ihrer Flexibilität das Potenzial, als beliebte Arbeitgeber zu gelten.
Herausforderung für Arbeitgeber und Personalentwickler
Es reicht nicht aus, sich diesen Veränderungen anzupassen. Die Arbeitgeber haben schon aus einem Eigeninteresse heraus die Aufgabe, ihre Jobangebote und Möglichkeiten neu zu gestalten, sie zu prägen und weiterzuentwickeln. Es geht darum, die Seite der Arbeitswelt heute und morgen neu und offen wahrzunehmen. Es geht auch darum, flexibel aufeinander zuzugehen und zu Kompromissen bereit zu sein. Das ist die zusätzliche Herausforderung für Arbeitgeber und Personalentwickler.
Müssen Arbeitgeber und Coaches deshalb einen Spagat vollführen, der sie zerreißt? Müssen sie sich auf Biegen und Brechen jugendlich, digital und fancy geben? Sicher nicht, denn viele Menschen sehen, dass die Arbeit weiterhin eine zentrale Bedeutung für sie im Leben hat, aber dass sie eben nicht alles ist.
Was also konkret machen? Offen aufeinander zugehen, authentisch bleiben, den eigenen Standpunkt vertreten und Kompromisse fördern. Sich selbst, die Menschen und die Arbeit neu erfahren und neu erfinden. Feedback geben und annehmen. In der Sache bleiben und selbst die leichte Seite des Lebens erkunden.