Das Geschäftsmodell weiter entwickeln bedeutet, dass man die Art und Weise, wie ein Unternehmen aus der Sicht der Kunden Werte schafft, liefert und abrechnet, verändert und aktualisiert. Wenn die Wertvorstellungen der Kunden, die Kommunikation und Transaktion mit Kunden oder die Zusammenarbeit mit Partnern und Lieferanten sich ändert, wird es notwendig, das Geschäftsmodell anzupassen. Dann ergeben sich in der Praxis neue Möglichkeiten.
Warum ist es wichtig, das Geschäftsmodell permanent weiter zu entwickeln
Der Wettbewerb wird nicht zwischen Produkten oder Prozessen entschieden. Der entscheidende Unterschied liegt in den Geschäftsmodellen.
Buchhändler leiden an Ertragsschwäche, dagegen erreichen Online Buchhändler enorme Zuwächse. Die Transaktion mit den Kunden und die Kommunikation haben sich geändert. Für den Kunden ist vieles einfacher, praktischer, konvenienter geworden.
Metzgereien leiden unter dem Druck der Angebote der Handelsketten. Vegane Schnitzel oder veganes Geschnetzeltes werden dagegen mit enormen Deckungsbeiträgen verkauft und der Markt wächst dynamisch. Selbst große Hersteller von Wurst- und Fleischwaren haben ihr Geschäftsmodell geändert. Sie verkaufen bereits mehr vegane Produkte als Wurst oder Fleisch und erreichen einen Ertragssprung. Möglich geworden ist dies, weil sich die Wertvorstellungen der Kunden veränderten und die Unternehmer dafür neue Angebote entwickelt haben.
Ein erfolgreiches konkretes Beispiel: Rügenwalder Mühle hat sein Geschäftsmodell und sein Werteversprechen geändert, anstelle im Fleischsegment zu verharren. Große Organisationen schaffen diese Veränderungen. Kleine und wendige Betriebe erreichen dies auch, wenn sie sich dafür öffnen.
Das Geschäftsmodell entwickeln – die Kernfragen
Im Brennpunkt der Entwicklung eines Geschäftsmodells stehen diese 4 Kernfragen.
Wie gestaltet das Unternehmen seine Verbindung zu den Beschaffungs- und den Absatzmärkten
Hier geht es darum, wie ein Unternehmen seine Rohstoffe bezieht. Gemeint ist nicht nur die Logistik, sondern die Wahl und Qualität der Lieferanten. Bei vielen Produkten, beispielsweise Fleisch- oder Wurstprodukten, Gemüse, Textilien oder Holz, aber auch Brillanten kann dies das ganze Geschäftsmodell prägen.
Beim Absatzmarkt stellt sich die Frage der Vertriebs- und Verkaufsformen. Welche Möglichkeiten hat der Vertriebspartner oder der Kunde Online? Gibt es Plattformen, Web Shops, Produkt Konfiguratoren und was passiert in der Kommunikation? Kann der Kunde die Produkte auch in Stores testen und kennen lernen?
Das Geschäftsmodell entwickeln und die Transaktionen steuern und kontrollieren
Erfolgt der Austausch von Daten und Informationen digital, so dass die Abläufe effizient, übertragbar auf andere Länder und skalierbar sind? Dies schließt das Angebot von Produkten und Leistungen, die Bestellung der Kunden, die interne Auftragssteuerung, den Beschaffungsauftrag beim Lieferanten, das Lieferavis beim Kunden und die Beauftragung der Spedition oder des Lieferservice mit ein.
Sind die Transaktionen durchgängig gesteuert oder ist jeder Schritt mit manueller Bearbeitung verbunden? Ist der Kunde in die Transaktionen integriert, so dass er den Bearbeitungsfortschritt seiner Bestellung mit verfolgen kann?
Welche Informationen werden zwischen den Geschäftspartnern und den Kunden benötigt?
Jedes Produkt und jede Leistung sowie ihre Varianten können eindeutig beschrieben und bezeichnet werden. Dabei unterscheidet sich die Kundensicht auf die Informationen deutlich von den Anforderungen, um intern einen Auftrag zu generieren oder beim Lieferanten nachvollziehbare Bestellungen auszulösen. Damit die Transaktion sicher gesteuert werden kann, müssen diese Daten eindeutig definiert und an den jeweiligen Stellen nachgefragt, generiert oder erfasst werden.
Das Geschäftsmodell mit dem Nutzenversprechen für den Kunden entwickeln
Im Mittelpunkt einer Geschäftsidee ist die Einsicht in das Kundenproblem sowie die Kundenbedürfnisse. Daraus folgt das Nutzversprechen mit den Wertbeiträgen.
In Bezug auf die veganen Alternativen zu Fleisch und Wurst ist das Kundenproblem indes offensichtlich. Das Kundenbedürfnis ist, sich gesund, ethisch vertretbar, geschmackvoll und praktisch, also konvenient zu ernähren. Das Ansehen der industriellen Fleischprodukte ist massiv beschädigt. Die Nutzenversprechen veganer Produkte erfüllen diese Anforderungen für viele Konsumenten optimal.
Im Zusammenhang mit Take Away Kaffee ist das Kundenbedürfnis, einen persönlichen Service zu erleben und sich entsprechend der professionellen Entwicklung zu positionieren. Star Bucks spricht seine Kunden sehr persönlich an, indem die Mitarbeiter den Vornamen für die Bestellung aufnehmen und nutzen. Die Preise sind so hoch, dass vor allem die erfolgreichen und fortgeschrittenen Professionals sich den Kaffee leisten wollen. Die Marke kann man anhand der Kaffee Becher auch außerhalb der Stores leicht erkennen. Die Positionierung wirkt daher auch außerhalb des Stores.
Ein Geschäftsmodell mit seinem Wertebeitrag gestalten, entwickeln und verbessern
Der Wertebeitrag, Value Proposition, wird gezielt gestaltet. Dies erfolgt in den systematischen Schritten des Design Thinking Prozesses.
Wertschaffend können die Neuheit oder die Gestaltung, also das eng verstandene Design sein.
Der Preis oder die mit dem Kauf oder der Nutzung verbundene Kosteneinsparung liefern Wertebeiträge.
Wenn ein Risiko des Kunden reduziert werden kann, ist dies möglicherweise ein starker Wertebeitrag.
Die Marke und der damit verbundene Status, die persönliche Positionierung des Kunden verändern die Wahrnehmung des Wertebeitrags eines Produktes oder einer Leistung.
Die Performance, also die leistungsbezogenen Eigenschaften eines Produktes, haben einen Einfluss auf den Wertebeitrag. Hier geht es um Wirkung oder Erlebnis.
Andere Faktoren können aus Kundensicht ebenfalls eine Wertebeitrag bedeuten. Wenn ein Konsument ein individuelles Produkt entwickeln kann, ist dies ein möglicher Wertebeitrag, der gleichzeitig ein höheres Preisniveau rechtfertigt. Die Online und individuell gestaltbaren Sportschuhe der großen Marken sind Beispiele hierfür.
Damit die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell erfolgreich sein können, muss also ein Wertebeitrag erzeugt werden, der über alle Produkte und Leistungen hinweg gilt und vom Kunden geschätzt wird.
Wird der Wertebeitrag vom Kunden jedoch nicht mehr wahrgenommen, ist das ganze Geschäftsmodell auf dem Prüfstand. Dual war ein Hersteller von sehr hochwertigen Schallplattenspielern und der Wertebeitrag war, Musik auf höchstem Niveau zu genießen und gleichzeitig die Schallplatten beim Abspielen zu schonen. Dual hat sein Geschäftsmodell nicht angepasst und ist von Sony mit der Neuheit des tragbaren CD-Spielers vom Markt verdrängt worden.
Ein Perspektivwechsel ist notwendig
Gerade heute ist alles im Fluss und vieles verändert sich. Es wäre fahrlässig, diese Entwicklungen zu ignorieren. Ein „Weiter-So“ wäre auf keinen Fall zielführend, sondern eher gefährlich.
Die erste Empfehlung ist, die Routine zu verlassen, denn durch Lernen von Neuem gewinnt man.
Ein zweiter Tipp ist, die immateriellen Werte und Nutzen vor die materiellen zu stellen. Veränderte Kundenbedürfnisse und Wertevorstellungen wirken sich mittelfristig auf das Ergebnis aus. Wer dagegen die kurzfristigen materiellen Nutzen zu hoch proirisiert, hält zu Lange am Alten und Überholten fest und verhindert die zukünftigen Erfolge.
Raus aus der Routine und der Komfortzone hilft, dass Unternehmen nicht in der Routine verharren und nicht wie ein Hamster im Rad auf der Stelle rennen.
Der dritte Rat ist indes, das egozentrierte Verhalten mit fixiertem Blick auf das eigene Unternehmen aufzugeben, aus der Käseglocke der bisherigen Wahrnehmung herauszutreten, den Elfenbeinturm zu verlassen und geerdete frische Gesprächspartner zu suchen.
Damit der Perspektivwechsel gelingt, nutzen viele Unternehmer die Neustarthilfe nach Corona. Das Wirtschaftsministerium einzelner Bundesländer stellt den Unternehmen des Mittelstandes einen akkreditierten Berater zur Seite und übernimmt die Kosten, damit der Weg aus der Routine gelingt und Veränderungen möglich werden.