Die Geschäftsführer vieler kleiner und mittlerer Unternehmen müssen sich heute kaum noch um den Auftragseingang sorgen. Die Auslastung reicht oft über 6 Monate hinaus. Viel schwieriger ist es, die zur Abarbeitung dieser Aufträge benötigten qualifizierten Mitarbeiter zu finden und dauerhaft im Unternehmen zu halten. Betriebe, die ihre Mitarbeiter gezielt selbst ausbilden, können diese optimal für die eigenen Anforderungen qualifizieren und an das Unternehmen binden. Wer 5 Grundsätze berücksichtigt, kann sicher den gewünschten Nutzen erreichen.
Ein Unternehmen aus dem Werkzeug- und Formenbau hat in den vergangenen 5 Jahren seine Gesamtleistung um über 35% gesteigert. Die Anzahl der Mitarbeiter in der Produktion ist von 46 auf 58 gestiegen. Doch weder die Geschäftsleitung noch die Mitarbeiter konnten sich über diese Entwicklung sonderlich freuen. Übermäßige Überstunden waren bereits seit längerem an der Tagesordnung und die Qualität hatte durch die andauernde Überlastung enorm gelitten. Woher aber sollte das notwendige zusätzliche Personal kommen? Das mittelständische Unternehmen stand auf dem Arbeitsmarkt im Wettbewerb mit Großbetrieben, die sich ein intensives Personalmarketing leisten konnten. Die Antwort ist: Mitarbeiter fördern und entwickeln – Ausbildung selbst in die Hand nehmen.
Mitarbeiter fördern und entwickeln – Ausbildung selbst in die Hand nehmen
Eine kurzfristige Lösung schien unerreichbar, es war zum Verzweifeln. Das Unternehmen entschied sich trotz der drängenden Probleme dazu, nicht mehr so kurzfristig zu denken und selbst Mitarbeiter auszubilden. Das größte Hindernis lag nun jedoch darin, dass zuerst eine Menge Zeit und Geld investiert werden musste, bis eine Entlastung in Sicht kommen würde. Dazu waren viele Meister und Ausbilder anfangs nicht bereit. In dem Unternehmen herrschte unheimlich viel Druck, ausgehend von dem Vertrieb und der Auftragssteuerung.
Die Jugendlichen sollten nicht unter dieser Spannung lernen, sie sollten aber auch nicht von der Realität abgeschirmt werden. Deshalb wurde speziell für die Ausbildung ein eigenes, neues Leitbild entwickelt und das Ausbildungskonzept wurde komplett überarbeitet. Heute findet die Ausbildung nicht nur in der Ausbildungswerkstatt und in der Berufsschule statt, sondern auch in der eigenen Produktion, bei den Lieferanten und in Bezug auf bestimmte Lernfelder und Aufgaben auch virtuell. Dabei konnten die Aufgaben in einem eigenen, mit Computern ausgestatteten Gruppenraum für die Auszubildenden bearbeitet werden oder auch zu Hause.
Nachwuchs-Mitarbeitern attraktive Angebote machen
Das Unternehmen nutzt heute viele Angebote der Schulen, um möglichst frühzeitig Kontakt zu den Schülern zu bekommen. Mitarbeiter aus dem Unternehmen helfen den Schülern in der Berufsorientierung. Sie klären die vielen Fragen der Jugendlichen. Wie gut muss man in Mathe und Physik sein, um ein Werkzeugbauer zu werden? Warum ist es wichtig, nicht nur naturwissenschaftliche Fächer, sondern auch Sprachen gut zu beherrschen, wenn man in der Industrie arbeiten möchte? Wollen die Ausbilder tatsächlich den Musterschüler oder haben sie lieber einen guten Schüler, der sich auch im Sportverein integrieren konnte? Wie geht man in der Bewerbung damit um, wenn man eine Klasse wiederholen musste?
Solche Gespräche schaffen Vertrauen und motivieren. Mit einzelnen Schulen gibt es Partnerschaften, es werden Unterrichtseinheiten mitgestaltet, Interessierte werden zu Exkursionen eingeladen, es gibt Tage der offenen Tür, jedes Jahr wird ein Techniktag speziell für Schüler veranstaltet, Girls-Day oder Berufsorientierungstage werden intensiv genutzt. Über Ferienjobs und Praktika können Jugendliche das Unternehmen kennenlernen, und umgekehrt.
Moderne Wege nutzen, um sich als Arbeitgeber mit Zukunft zu präsentieren
Die Ausbildungsplätze werden auf der Homepage ausführlich dargestellt. Auszubildende beschreiben das Berufsbild aus ihrer Sicht und in ihrer Sprache. Sie informieren darüber, wie sie die Bewerberauswahl erlebten und geben Tipps für die Vorbereitung. Die Stellen werden auf besonderen Ausbildungsplattformen angeboten und es gibt einen Link auf die eigene Homepage, direkt auf die eigene Bewerberseite. Zeugnisse kopieren und Briefe schreiben ist umständlich, die elektronische Bewerbung vom Handy aus wird gerne genutzt. So geht die laufende Kommunikation ab der ersten Kontaktaufnahme des Bewerbers weiter. Es werden viele kurze Nachrichten über einen Messenger-Dienst ausgetauscht. Die Auszubildenden nutzen Plattformen und bewerten das Unternehmen und die Ausbildung.
Motivation beginnt damit, ernstgenommen zu werden
Die Auszubildenden wählen jedes Jahr drei Sprecher, die sie gegenüber den Ausbildern, den Gruppenleitern in der Produktion und der Geschäftsleitung vertreten. Das verbindet und macht selbstbewusst. Die Sprecher organisieren viele Events nach der Arbeit. Bilder und Posts auf der eigenen Homepage und auf Facebook ergeben sich daraus. Das Unternehmen unterstützt, dass die Auszubildenden sich jedes Jahr für ein soziales Projekt engagieren.
Besonders motivierte und begabte Jugendliche erhalten nach der erfolgreichen Ausbildung zudem verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten, angefangen bei Fachscheinen und IT-Kursen bis hin zu einem dualen Studium. Die Ausbilder arbeiten mit einem Coach zusammen, bieten Präsentationstraining und geben Tipps über Lern- und Arbeitstechniken. Die Ausbilder und die Jugendvertreter haben den zeitlichen Spielraum und die Aufgabe, sich besonders zu engagieren, wenn junge Erwachsene während der Ausbildung die Orientierung verlieren. Besonders am Anfang der Ausbildung sind Gespräche notwendig, weil die Einstellung zur Arbeit bei Jugendlichen häufig und extrem schwanken kann.
Aktives Personalmanagement trägt Früchte
Die Ergebnisse sprechen für sich: In den letzten 5 Jahren haben alle Jugendlichen des Betriebes die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und es konnten jedes Jahr über 80 % übernommen werden. Über die Hälfte der Gruppenleiter in der Produktion haben ihre Ausbildung im Unternehmen absolviert. Die Überstunden sind zudem wieder auf ein erträgliches Maß zurückgegangen, die Qualität stimmt und die Arbeit macht wieder Spaß. Durch den ständigen Umgang mit vielen Jugendlichen ist der gesamte Betrieb lebendiger und beweglicher geworden.
Erfolgreiche Wege der Personalentwicklung – 5 wichtige Grundsätze
Unternehmen, die sich dafür entscheiden, Mitarbeiter fördern und entwickeln – Ausbildung selbst in die Hand nehmen. Um für den Fachkräftemangel gerüstet zu sein, sollten die folgenden fünf Grundsätze beachten:
Grundsatz 1) Werden Sie ein attraktiver Ausbildungsbetrieb
Was gehört dazu? Finden Sie heraus, was Ihre Auszubildenden und Mitarbeiter an Ihrem Unternehmen schätzen und was den Zusammenhalt fördert. Sind es die besonderen Leistungen und Produkte? Ist es das Know-How (So kriegen das nur unsere Leute hin)? Ist es der Teamgeist (Der Betriebsleiter fängt ebenso früh an wie wir und bleibt genauso lange, bis der Großauftrag erledigt ist)? Attraktiv sein bedeutet, das Image als Arbeitgeber pflegen.
Oft nutzen jedoch nur die ausgeschiedenen Mitarbeiter die Online-Portale und geben negative Bewertungen über Sie als Arbeitgeber ab. Erst wenn sich auch die vielen zufriedenen Mitarbeiter äußern, kann das Unternehmen nach außen als attraktiver Arbeitgeber punkten. Auf jeden Fall ist es wichtig, aufmerksam aufzunehmen, was die Bewerber von einem Ausbildungsbetrieb erwarten. Welche Unternehmen in Ihrer Region erfüllen diese Erwartungen besonders gut und wodurch haben sie den großen Erfolg bei den Bewerbern? Wer dies berücksichtigt, kann besser den eigenen Standort und die notwendigen Maßnahmen bestimmen.
Grundsatz 2) Verbessern Sie die Ausbildungsbedingungen
Hinterfragen Sie Ihre Ausbildungskonzepte, die internen Bedingungen und die Fach-Laufbahnen, die Sie anbieten. Bieten Sie einen Mehrwert jenseits der fachlichen Ausbildung an, beispielsweise Kurse über besondere IT-Themen, über Lern-, Arbeits- oder Präsentationstechniken oder Sozialkompetenz. Wer den Auszubildenden jedoch schon frühzeitig etwas zutraut, sie an schwierige Aufgaben heranführt und in anspruchsvolle Projekte aufnimmt und Anerkennung gibt, erhält motivierte und leistungsbereite junge Mitarbeiter.
Grundsatz 3) Sprechen Sie die Bewerber zielgenau an
Überarbeiten Sie Ihre Homepage, inserieren Sie in speziellen Ausbildungsforen und werden Sie auf anderen sozialen Plattformen aktiv. In den meisten Regionen gibt es zudem Job-Messen und Kontaktbörsen, auch Schulen oder Hochschulen organisieren Veranstaltungen, auf denen Sie in Kontakt zu Bewerbern treten können. Sind die Inhalte, Texte und Bilder in der Sprache und dem Lebensgefühl der Jugendlichen angepasst oder sind sie trocken, kompliziert und abschreckend ernsthaft? Schnell erkennt man denjenigen, der die Jugendlichen in ihrer Situation kennt, der mit ihnen auf Augenhöhe umgeht und sie versteht.
Grundsatz 4) Fördern, Orientierung geben und Auffangen
Fördern Sie die motivierten und begabten Jugendlichen bereits während der Ausbildung mit Angeboten, die über die typischen Lernfelder des Berufsbildes hinausgehen. E-Learning ist sehr beliebt, aber auch die Zusammenarbeit mit der Volkshochschule kann interessant sein. Entwickeln Sie Möglichkeiten für die weitere Entwicklung nach der Ausbildung und informieren Sie darüber. Jugendliche brauchen manchmal besonderes Verständnis, Orientierung und Führung in kritischen Situationen. Achten Sie darauf, dass die jungen Erwachsenen aufgefangen werden, wenn sie selbst die Orientierung verlieren. „Das kann schon einmal passieren, reden wir einmal darüber“, ist ein Umgang mit Ausrutschern, der Wohlwollen und immer offene Türen signalisiert.
Grundsatz 5) Nicht kurzfristig denken
Wer Mitarbeiter ausbildet, erhält Fachkräfte, die sehr genau auf den eigenen Bedarf ausgerichtet sind. Sie kennen die Abläufe, sind mit den Maschinen und Anlagen vertraut und kennen die Leistungen und die Qualitätsanforderungen. Wer ausbildet, muss aber auch immer damit rechnen, dass die jungen Menschen sich beruflich verändern wollen. Die Gefahr, gute Mitarbeiter zu verlieren, wird reduziert, wenn die Ausbildung optimal organisiert ist, der Betrieb kontinuierlich ausbildet und die Auszubildenden schon frühzeitig an das eigene Unternehmen bindet.
„What goes around, comes around“, mit anderen Worten, was man gibt, kommt vielfach zurück. Dies ist eine Lebensweisheit, die sich im Umgang mit Personal bestätigt.
Check and Balance – 5 Tipps für eine gelungene Ausbildung
Den ersten Tag wichtig nehmen.
Der Ausbildungsbetrieb wird das zweite Zuhause für den Jugendlichen, starten Sie daher gut organisiert in den ersten Tag. Ein gemeinsames Frühstück mit den anderen Auszubildenden und den Ausbildern ermöglicht Kontakte. Stellen Sie ihm außerdem in den ersten Wochen einen älteren Auszubildenden als Pate zur Seite. Machen Sie eine Betriebsführung, die zeigt, wie wichtig der Azubi ist.
Besprechen Sie Regeln.
Es ist wichtig, den organisatorischen Rahmen zu klären. Für den Jugendlichen ist es wichtiger, dass er versteht, an wen er sich bei persönlichen Belangen wenden kann, wie man im Konflikt miteinander umgeht und dass jeder eine neue Chance bekommt. Für jedes Berufsbild gelten besondere Werte, leitende Normen und Regeln, die der Auszubildende folglich kennenlernen sollte.
Das Ausbildungsziel besprechen.
Besprechen Sie gleich im ersten Ausbildungsgespräch, was das Ziel der Ausbildung und den Ausbildungserfolg ausmacht. So versteht der junge Mensch, was von ihm erwartet wird und was wichtig ist. Das sind nicht nur die kognitiven Fähigkeiten, sondern auch die soziale Kompetenz und die Arbeitsabläufe.
Einen Ausblick geben.
Besprechen Sie frühzeitig, welche konkreten Möglichkeiten im Unternehmen nach der Ausbildung bestehen. Der neue Mitarbeiter ist bereits Teil Ihres Personalplanes. Das können Sie ihm auch so sagen.
Den Auszubildenden immer bewusst und sinnvoll einsetzen.
Machen Sie einen individuellen Ausbildungsplan. Notieren Sie zudem, was die Lernfelder für jede Abteilung sind. Gibt es Highlights darin? Setzen Sie den Auszubildenden früh für reale Projekte und Aufträge ein, unterweisen Sie sorgfältig und führen Sie gezielt zu Erfolgen. Das motiviert. Zudem macht es den Jugendlichen selbstbewusst in seinem neuen Umfeld. Einen Jugendlichen jedoch nur in einer Abteilung abzustellen und nicht permanent zu verfolgen, was der einzelne Auszubildende gerade macht, ist Gift für die Motivation und die fahrlässige Vergeudung einer Chance. In dem Auszubildenden eine günstige Arbeitskraft zu sehen und ihn wie eine ausgelernte Kraft einzusetzen schadet zudem Ihrem Image auf dem Arbeitsmarkt und gefährdet die Qualität und Ihr Ansehen bei den Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern.
Mitarbeiter fördern und entwickeln – Ausbildung selbst in die Hand nehmen. Betriebe können Förderung erhalten.
„Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich erneut verbessert. Der ifo Geschäftsklimaindex ist im September auf 93,4 Punkte gestiegen, nach 92,5 Punkten im August. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Situation abermals positiver als im Vormonat. Zudem erwarten sie eine weitere Erholung ihrer Geschäfte. Die deutsche Wirtschaft stabilisiert sich trotz steigender Infektionszahlen. (ifo Geschäftsklimaindex September 2020)“
Wie erleben wir als Berater und Coach die Situation in vielen Unternehmen? Die Führungskräfte sorgen sich jedoch kaum noch um den Auftragseingang. Die Auslastung reicht oft über 6 Monate hinaus. Die Geschäftsführer denken vielmehr darüber nach, ob sie die Umsatzpotentiale überhaupt nutzen können. Der extreme Mangel an Personal wirkt einfach zu stark auf die Betriebsleistung. Die Bundesregierung hat das Problem ebenfalls erkannt und unterstützt mittelständische Betriebe mit Zuschüssen, damit sie einen Rat von Spezialisten einholen können. Unternehmensleitungen müssen es sich daher zur Chefaufgabe machen, dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern zu begegnen, ständig an dem Personalstamm zu arbeiten, neue Fachkräfte zu gewinnen, das Potential des Personals voll zu entwickeln und die Mitarbeiter an den Betrieb zu binden.